LAPP
Auf dem Bild sieht man Blitze von einer elektrischen Entladung.
Gleichspannungsnetze mit einer zentralen Wandlung könnten als energiesparende Alternative insbesondere für Antriebe in der Produktion etabliert werden

Doch auch in der Industrie und im privaten Alltag könnten durch die Nutzung von Gleichstrom viele zusätzliche Potentiale gehoben werden. Insbesondere dann, wenn die Quelle für die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien wie Photovoltaik kommt. Diese produzieren Gleichstrom (DC), der über Wechselrichter in Wechselstrom (AC) umgewandelt werden muss. Wenn aber der Endverbraucher ebenfalls wieder ein digitales Gerät wie Laptop, I-Phone, eine LED-Leuchte, der Ladepunkt für Elektrofahrzeuge oder die intelligente Produktionseinheit in einer Fabrik ist, muss doppelt umgewandelt werden, denn diese Endverbraucher funktionieren nur mit Gleichstrom. Dadurch entstehen große Wandlungsverluste. Erste Analysen gehen von 3 bis 5 Prozent aus. Experten haben ausgerechnet: Würde man, ganz hypothetisch, das gesamte Stromnetz in Deutschland komplett auf Gleichstrom umstellen, könnten ungefähr 25 Prozent Gesamtenergiebedarf eingespart werden.

Das Bild zeigt ein Portrait von Guido Ege, Leiter Produktmanagement und Produktentwicklung bei LAPP.
Guido Ege, Leiter Produktmanagement und Produktentwicklung bei LAPP

Davon ist auch Guido Ege, Leiter Produktmanagement und Produktentwicklung bei LAPP überzeugt: „Wir leben immer mehr in einer DC-Welt. Der langfristige Ausstieg aus den fossilen Energiequellen kann nur effizient gestaltet werden, wenn wir konsequent immer mehr auf Gleichstrom umstellen und Wandlungsverluste vermeiden. Kurzum: Wir brauchen eine Wende ohne Wandel.“

Doch die konsequente Einführung von Gleichstrom ist noch etwas holprig. In der Industrie gibt es bisher nur Nischenanwendungen. Große Automobilisten beispielsweise haben Testzellen installiert. Dort ist von Effizienzgewinnen von bis zu 5 – 10 % die Rede, die besonders durch die Nutzung von Bremsenergie (Rekuperationsenergie) noch erheblich gesteigert werden können. Aber der große Wurf fehlt. Handlungsbedarf gibt es noch auf vielen Ebenen. Trotzdem hat sich LAPP sehr frühzeitig mit dem Thema Gleichstrom beschäftigt und ist bei Kabeln in der Entwicklung aktiv. Das Unternehmen verfügt bereits über ein Leitungsportfolio für verschiedenste Anwendungen.

Darunter die ÖLFLEX® DC 100 mit neuer Farbcodierung der Adern nach der 2018 aktualisierten Norm DIN EN 60445 (VDE 0197):2018-02 für Gleichstromleitungen: rot, weiß und grün-gelb. Weitere Leitungen sind die ÖLFLEX® DC Servo 700 für stationäre und die ÖLFLEX® DC Chain 800 aus TPE für bewegte Anwendungen. Oder die erste DC-Roboterleitung ÖLFLEX® DC Robot 900 mit der Aderisolation aus TPE und dem Mantel aus PUR. Damit ist LAPP Vorreiter bei der Entwicklung von Leitungen für Niederspannungs-Gleichstromnetze für industrielle Anwendungen.

Weitere Baustellen gibt es noch in der Normung, außerdem müssen noch DC-taugliche Komponenten zur Verfügung gestellt werden, etwa bei Steckern und Schaltern. Hier muss noch weiter geforscht werden, denn bei Gleichstrom erlischt beispielsweise ein Störlichtbogen nicht von allein. Das kann lebensgefährlich werden.

Bei Gleichstrom braucht man neue Komponenten, zum Beispiel geeignete DC-Leistungsschalter, damit der Störlichtbogen erlischt

Das Bild zeigt das Kabel ÖLFLEX® DC SERVO 700, welches für die stationäre Anwendungen geeignet.
Die ÖLFLEX® DC SERVO 700 ist für stationäre Anwendungen geeignet

Es gibt noch viele offene Fragen. LAPP ist deshalb im Forschungsprojekt DC-Industrie2 geförderter Partner. Im Projekt DC-Industrie2 haben es sich die Forschenden des Fraunhofer IPA und des Fraunhofer IISB in Kooperation mit 40 Partnern zur Aufgabe gemacht, ein Konzept für ein intelligentes DC-Versorgungssystem zu entwickeln und zu erproben, ob dieses DC-System eine Produktionshalle günstig mit Gleichstrom versorgen kann. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie BMWi fördert das Vorhaben, das bis Ende 2022 läuft. LAPP erforscht dabei die Langzeitstabilität von Isolationsmaterialien für Kabel und Leitungen.

Bereits im Vorfeld hatten LAPP und die TU Ilmenau in Versuchen herausgefunden, dass einige Isolationsmaterialien im Gleichspannungsfeld ein anderes Alterungsverhalten zeigen als in einem Wechselspannungsfeld. So haben Forschende der TU Ilmenau über einen Zeitraum von 2.500 Stunden Einzeladern mit verschiedenen Isolationsmaterialien in einem Wasserbad bei 80 °C mit 1 kV Gleichspannung belastet, um die Auswirkungen im Zeitraffer nachzuvollziehen. Die Ergebnisse: Einige Leitungen mit spezieller PVC-, halogenfreier oder FRNC-Mischung (flame resistant, no chloride) fielen unter DC-Beanspruchung schneller aus als bei AC. Es ist noch nicht klar, was chemisch und physikalisch im Kunststoff stattfindet. Der Abbau des Polymers oder das Aufquellen im Wasser sowie das Herauslösen von Additiven oder die Bildung von „Water Trees“ könnten mögliche Ursachen sein.

Das Bild zeigt 2 Versuchseinrichtungen bei TU Ilmenau.
Versuche bei TU Ilmenau

„Wir sehen in Gleichstrom große ökonomische Chancen. Nicht nur für die Automotive- und Prozessindustrie. Durch die Reduzierung von Umwandlungsverlusten steigern wir die Effizienz. Wenn keine Umrichter mehr benötigt werden, brauchen wir weniger Komponenten und damit weniger Platz. Regenerative und dezentrale Energiequellen können leichter integriert werden“, listet Guido Ege die Vorteile auf.

Eine Versorgung mit Gleichstrom wäre außerdem die ideale Voraussetzung, damit Antriebe beim Bremsen Energie ins DC-Netz zurückspeisen können. Wie bei Elektro- oder Hybrid-Autos würde diese Energie in Batterien gespeichert, bis der Antrieb wieder beschleunigt. Diese Energie könnte auch genutzt werden, um Verbraucher mit hohem Leistungsbedarf, zum Beispiel beim Schweißen, zu versorgen. Die Betriebe könnten damit Lastspitzen kappen und müssten nicht kurzzeitig hohe Energiemengen aus dem Netz beziehen.

„Die DC-Technologie wird die industrielle Produktion und die Energieversorgung von Städten und Stadtteilen entscheidend verändern. Sie stellt damit ein wichtiges Element der Energiewende dar“, betont Guido Ege.

In Sachen Gleichstrom ist LAPP schon heute ein gefragter Partner. Für Photovoltaik- und Windkraftanlagen verfügt LAPP seit Jahren über ein umfangreiches DC-taugliches Portfolio. Mit DC werden aber auch Wandlungsverluste in Wellenkraftwerken vermieden. So ist im Hafen der griechischen Stadt Heraklion ein Wellenkraftwerk der Münchner Firma SINN Power im Einsatz. Dort wird künftig für die dezentralen Minigrids die Gleichstromleitung ÖLFLEX® DC 100 für den 800-V-DC-Bus verwendet.

Obwohl Mittelspannung und Hochspannung (HGÜ) nicht das Geschäftsfeld von LAPP ist, kommt es sehr oft vor, dass das Unternehmen trotzdem für spezielle Infrastrukturprojekte der Partner der Wahl ist. Eine maßgeschneiderte Lösung hat LAPP für den Sortimo Innovationspark Zusmarshausen entwickelt.

Hier hat LAPP den kompletten DC-BUS zum Anschluss der Ladestationen, einschließlich Hybrid-DC-Kabel zur Steuerung und Online-Überwachung entwickelt. Das speziell für den Ladepark designte Kabel besteht aus einem Aluminiumleiter mit 30 mm2 Querschnitt.

Die Aderisolierung ist strahlenvernetzt und besteht aus Polyethylen. Die Schirmung wird über spiralförmig über den Kern aufgetragene Kupferdrähte erreicht. Das Besondere: Der Aufbau wird ergänzt durch zwei Edelstahlrohre bestückt mit jeweils sechs Lichtwellenleitern. Diese dienen zur Temperaturmessung und schlagen Alarm, wenn die Temperatur an den Ladepunkten zu groß wird. Über den BUS wird dann gesteuert, wo alternativ entsprechend freie Ladekapazitäten zur Verfügung stehen.